Vorwort: Wir sind seit mehr als 30 Jahren in der Osteuropa-Hilfe aktiv, aber noch nie haben wir Menschen in Kriegsgebieten unterstützt. Wir mussten uns umstellen auf die Versorgung unserer Projekte mit Grundnahrungsmitteln und Dingen, die darauf ausgerichtet sind, das Weiterleben zu ermöglichen, z.B. Matratzen, Generatoren und Medikamente – und das alles in regelmäßigen Lieferungen, weil es Verbrauchsmittel sind. Der Krieg dauert leider immer noch an, und wir werden auch weiterhin unsere Fahrten nach Krakovez oder Czernowitz durchführen. Nachdem wir die ersten sechs Hilfstransporte ausführlich dokumentiert haben, werden wir alle folgenden hier in dieser Rubrik nur noch erwähnen, um zu zeigen, dass wir auch weiterhin aktiv sind.

10. + 11. Hilfstransport nach Czernowitz (10.-14.2.2023) und Krakovez/Lemberg (16.-19.2.2023)
(ein Reisebericht von Michael Müller)
Am Freitag, dem 10. Februar machten sich Claudia Günther und Michael Müller auf den Weg in die Ukraine. An Bord war auch Melanka Bohonos, Studentin aus Darmstadt, die zu ihren Eltern nach Lemberg mitfuhr. Wir holten sie am Dresdener Hauptbahnhof vom Flixbus ab und dann ging es auch schon auf die Autobahn. Bis Lemberg sind es knapp 900 km und die Grenze zwischen Polen und der Ukraine kann zeitlich ein echtes Hindernis sein. Zwischen drei Stunden und ein andermal 30 Minuten kann die Abfertigung dauern. Aber wir kamen gut voran und waren um sechs früh schon in Lemberg angekommen. Dort erwartete uns Halina Tomkiv, die Mutter von Melanka mit einem Frühstück. Eine Powerbank und Handschuhe und Fußwärmer wurden noch ausgeladen und um elf waren wir verabredet mit Oselya in einem Vorort von Lemberg. Oselya leitet ein Obdachlosenheim der „ Emmaus – Stiftung“. Diese Organisation betreut ca. 1000 Obdachlose im Lemberger Gebiet. Wir wollen uns als Verein an den Verpflegungskosten beteiligen und über die Summe auf unserer nächsten Vereinssitzung beraten.
Am späten Nachmittag bummelten wir noch ein wenig durch die zauberhafte Altstadt von Lemberg um uns dann am nächsten Morgen auf den Weg nach Czernovitz zu machen, dass ca. 300 km von Lemberg entfernt ist. Auf dieser Fahrt begleitete uns Halina, denn es waren einige Kontrollpunkte zu passieren, wo es wegen der Verständigung besser ist jemand Einheimischen dabei zu haben. Dort besuchten wir unsere Freunde in der Stiftung „ Neue Familie“, die sich seit Beginn des Krieges in der Hauptsache um Flüchtlinge kümmert. In Kizman, einem Ort 20 km von Czernovitz besuchten wir ein großes Flüchtlingsheim um uns selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. In einem fünfstöckigen Gebäude lebten ca. 300 sogenannte Binnenflüchtlinge. Das sind Menschen, die innerhalb des Landes verzweifelt darauf warten, dass der Krieg zu Ende geht, um schnell zurück in die Heimat zu kommen. Viele aus der Donbass-Region haben eine Trümmerwüste verlassen.
Gerade die älteren Menschen wissen, dass es für sie kein Zurück gibt, weil vom persönlichen Besitz nichts mehr übrig geblieben ist. Es wird nach dem Ende des Krieges Jahrzehnte dauern, bis in diesem Gebiet wieder normale Verhältnisse einziehen. Die persönlichen Begegnungen waren sehr bewegend. Plötzlich spürt man fast körperlich und intensiv wie unterschiedlich die Positionen sind in denen wir uns begegnen. Hier die Besucher aus einem wohlhabenden Land des Friedens und da die völlig verzweifelten, traurigen Menschen, die außer einem Koffer nichts mehr besitzen. Da sind auch wir den Tränen nah.
Es gibt auch Lichtblicke. Mit Spenden aus Frankreich, den USA, aus Großbritannien und Deutschland sind einige Sanitäranlagen und Küchen saniert worden. Aber viele Toiletten und Duschen sind eine Katastrophe und auch sauberes Trinkwasser ist ein Problem. Zum Schluss besuchten wir noch das „ Kinderzimmer“, – ein großer Raum, hell erleuchtet, 15 Kinder saßen an einem Tisch und spielten verschiedene Brettspiele, angeleitet von Natascha und Sergej, die als Volontäre für die Kinder zuständig sind. Die beiden, ein Ehepaar, sind schon zweimal ausgebombt worden. Erst wohnten sie in Donezk, flohen 2017 vor den russischen Besatzern nach Charkiv und sind im März 2022 nach Czernovitz geflüchtet. Dort haben wir sie im Mai in einem Flüchtlingsheim schon kennengelernt. Nun haben sie in Kizman eine Wohnung und arbeiten dort im Flüchtlingsheim.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Hause. Start in Czernovitz 9 Uhr. Halina stieg 13 Uhr in Lemberg aus, von 15 Uhr bis 17 Uhr dauerte es bis wir die Grenze zwischen Ukraine und Polen überquert hatten und die Autobahn nach Dresden vor uns lag. Um ein Uhr in der Nacht kamen wir erschöpft aber dankbar ob der vielen persönlichen Begegnungen wieder in Dresden an.
Nach unserer sicheren Rückkehr am frühen Morgen des Dienstag (14.2.) ging es am Donnerstagabend (16.2.) erneut auf die Reise in die Ukraine. Gemeinsam mit Sven Böttger ging es in das Kinderheim nach Krakovez. Personalmangel war die Ursache dafür, dass ich mir langsam Sorgen darüber machte, was wohl die Grenzbeamten bei einem Blick in meinen Reisepass sagen würden. Schließlich war ich nun fast täglich unterwegs Richtung Ukraine. Aber das war nun mal nicht zu ändern. Und wieder war es aus Zeitgründen eine Nachtfahrt, die noch zusätzlich anstrengt. Früh am morgen um sieben kamen wir im Kinderheim an. Wir wurden schon erwartet. Nach einem kleinen Frühstück und einiger wichtigen Absprachen mit Heimleiterin Natalja Frankiv wurden die von uns gelieferten Lebensmittel ausgeladen und es ging weiter nach Lemberg. Dort hatte Sven Böttger, Verwaltungsleiter im Kreuzgymnasium Dresden einen Termin mit dem Direktor des deutschen Gymnasiums in Lemberg, Zwischen beiden Schulen wird eine Partnerschaft angestrebt. Es war ein sehr angeregtes und intensives Gespräch, leider unterbrochen von einem Luftalarm, wie sie auch in Lemberg fast täglich vorkommen. So lernten wir das weitverzweigte Kellersystem kennen in dem die Schüler bei Luftalarm untergebracht wurden.
Am Abend gab es noch ein Treffen bei Halina Tomkiv, unserer langjährigen Freundin und Dolmetscherin, bevor wir uns am nächsten Tag wieder auf den Weg nach Hause machten. Am Sonnabend (19.2.), gegen 19 Uhr, erreichten wir die Heimat.
9. Hilfstransport nach Krakovez (6.-8.01.2023): Lebensmittel, Generatoren, Mobiliar
8. Hilfstransport nach Krakovez (17.-20.11.2022): Lebensmittel, Generator, Eröffnung eines vom Verein gesponserten Sportplatzes
7. Hilfstransport nach Krakovez (4.-7.10.2022): Lebensmittel
Sechster Hilfstransport nach Krakovez/Lemberg (4.-7.8.2022)
(ein Reisebericht von Michael Müller)
Am 4. August war es wieder soweit, und wir machten uns auf den Weg in die Ukraine. Diesmal sollte es über Krakovez hinaus bis nach Lemberg gehen. Mit zwei Bussen, gefüllt mit Lebensmitteln, einem Kühlschrank und Schulmaterial trafen wir am Morgen das 5. August in Krakovez ein. Im Heim gibt es immer wieder Zugänge aus den verschiedensten Landesteilen der Ukraine; momentan mit Kindern aus Kiew und Cherson. So ist das Heim trotz der Ferienzeit gut ausgelastet. Nach dem Entladen noch ein gemeinsames Frühstück mit dem Personal und schon ging die Fahrt weiter Richtung Lemberg.

Auf der Gegenspur ein riesiger LKW – Stau, der die Straße zur Grenze verstopfte. Brücken sind mit Sandsäcken gesichert, es gibt Straßenkontrollen. Die Einfallstraße nach Lemberg ist mit einer großen Schikane gesichert.

In der Stadt selbst verlief das Leben ruhig, man ist um Normalität bemüht. Auffällig ein neues Gräberabteil auf dem Friedhof, wo über 100 Soldaten beerdigt wurden. Viele junge Männer zwischen 20 und 30 liegen hier und die Trauer um die Gefallenen ist groß.
In einem Park am Rande der Stadt ist eine große moderne Containersiedlung aufgebaut, wo Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten unterkommen.

Wir haben dann noch Freunde besucht und am Sonntag ging es zurück nach Hause. Von Luftalarm blieben wir glücklicherweise verschont.
Fünfter Hilfstransport nach Krakovez (20./21.05.2022)
Am Abend des 20. Mai machten sich erneut zwei Kleinbusse und fünf Vereinsmitglieder und Freunde des Vereins auf den Weg ins Kinderheim Krakovez, beladen mit dringend angeforderten Materialien für ein Krankenhaus in Lemberg (Feldbetten und Gaskartuschen) sowie Lebensmittel für das Kinderheim (u.a. frisches Obst und Gemüse). Gleichzeitig wurde diese Fahrt von einer Ukrainerin, die vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet ist, genutzt, um kurz nach Lemberg in die Heimat zu fahren, um wichtige Dinge zu regeln.

Wir wurden wie immer sehr herzlich von unseren Freunden und den Kindern im Heim empfangen. Sie freuen sich sehr, dass wir die Hilfsgüter immer über die Grenze bringen und die langen Wartezeiten in Kauf nehmen (dieses Mal waren es 7 Stunden für Ein- und Ausreise), statt alles auf der polnischen Seite umzuladen und wieder heimzukehren. Wir wollen immer mit eigenen Augen sehen, wie die Lage im Heim ist und erfahren von unseren Freunden aus Lemberg, die ihrerseits nach Krakovez kommen, um uns zu treffen, unter welch schwierigen Bedingungen sie ihr Leben unter der permanenten Gefahr von Luftangriffen organisieren. Just am 21. Mai, als wir in Krakovez die Busse entluden, heulten wieder die Sirenen.


Der nächste Transport wird voraussichtlich am 7./8.Juni stattfinden.

Unsere Reise nach Czernowitz in der Ukraine und Sibiu/Hermannstadt in Rumänien (26.04.-08.05.2022)
Unser zweites Projekt in der Ukraine, die Stiftung „Neue Familie“ (https://partnerschaft-mit-osteuropa.de/project/stiftung-neue-familie-in-czernowitz-ukraine-2/) hat ihren Sitz in Czernowitz im Südwesten des Landes. Dieser Teil des Landes ist nicht so einfach zu erreichen wie Krakovez, wo man quasi in Dresden auf die Autobahn A4 auffährt und quer durch Polen direkt hinter der Grenze am Ziel ist. Um nach Czernowitz zu gelangen, muss man den langen Umweg über Tschechien, Ungarn und Rumänien nehmen – ca. 1.500 km bzw. 3 Tagesetappen.

Czernowitz und Transkarpatien waren bis vor kurzem von Angriffen verschont geblieben und boten deshalb vielen Flüchtlingen Schutz und Unterkunft. Die Stadt mit ihren ca. 250.000 Einwohnern nahm mehr als 70.000 Flüchtlinge auf, die dort meistenteils bei Familien, in Internaten, Sporthallen, Studentenwohnheimen oder auch in extra eingerichteten Flüchtlingsheimen untergebracht wurden. Unsere Freunde von der Stiftung kümmern sich neben ihrer eigentlichen Aufgabe, der Drogenprävention, nun auch um die Versorgung der Flüchtlinge mit Lebensmitteln und Medikamenten sowie der Betreuung der Kinder in den Flüchtlingsheimen.

Wir hatten die Gelegenheit, uns von drei Mitarbeitern der Stiftung die tägliche Arbeit zeigen zu lassen. Da ist zum einen der Schulunterricht, der auch im Krieg weitergeführt werden muss und digital erfolgt. Hinzu kommt psychologische Betreuung der Kinder, die oftmals genau so traumatisiert sind wie ihre Eltern, und darüber hinaus gibt es ein Netzwerk von mehr als 1.500 Volontären, die Spenden aller Art beschaffen und verteilen. Diese Volontäre sind praktisch Tag und Nacht im Einsatz und kommen häufig selber aus den Kriegsregionen.



Wir übergaben Tanja eine Geldspende in Höhe von 5.000 EUR. Der monatliche Finanzbedarf der Stiftung liegt gegenwärtig bei 7.000-8.000 EUR, so dass wir mit unserer Spende durchaus eine Hilfe sind. Es gibt zum Glück auch noch weitere Organisationen oder Privatpersonen, die Spenden übermitteln, aber trotzdem lebt die Stiftung von Monat zu Monat „von der Hand zum Mund“.

Nach dem Besuch im Büro der Stiftung fuhren wir gemeinsam in ein Flüchtlingsheim in der Nähe des Bahnhofs. Es ist ein ehemaliges Fabrikgebäude, das entsprechend eingerichtet wurde. Hier leben 80-100 Menschen, meist Frauen, Kinder und ältere Menschen, die sich eine Gemeinschaftsküche, einen großen Flur und gut ausgestattete Sanitäranlagen teilen, aber eben auch die Schlafräume (es gibt also keine Privatsphäre). Wir lernten Natascha kennen, die sich zusammen mit ihrem Freund außerordentlich rührig um eine Schar von Kindern kümmerte, mit diesen herumtobte, ständig neue Spiele initiierte und Impulse gab und uns später sagte, dass dies notwendig sei, um die Kinder zu beschäftigen und ihnen Fürsorge zukommen zu lassen, weil die Eltern es teilweise nicht mehr können. Ohne diese werden sie aggressiv oder apathisch oder fallen in depressive Stimmungen wie die Erwachsenen. Was uns außerordentlich berührte, war der Umstand, dass Natascha ihrerseits auch vor dem Krieg geflüchtet war, und das bereits zum zweiten Mal: 2014 aus Donezk nach Charkiv und in diesem Jahr aus eben diesen Charkiv, wo nach einem Luftangriff ihr Wohnblock zerstört wurde, in dessen Keller sie mit ihren Nachbarn saß. Dies ist eines von mehreren Schicksalen, die wir an diesem Tag kennen lernen sollten und die uns sprachlos machten, umso mehr, als dass diese Menschen eine solche Lebenskraft und Empathie ausstrahlten. Man muss wirklich sagen, dass wir in den Gesprächen immer sehr schnell an unsere Grenzen gekommen sind, denn dies ist kein „Small Talk“ über Befindlichkeiten und das Leben im Allgemeinen, sondern es sind Gespräche mit Menschen, die Tod und Zerstörung erlebt haben. Man muss sehr feinfühlig sein, sonst reißt man ungewollt Wunden auf, die nur notdürftig bedeckt sind. Wir verstehen es jetzt umso mehr, dass man eine psychologische Ausbildung braucht, um solchen Menschen helfen zu können.



Nach diesen zwei sehr erlebnisreichen und uns sehr beeindruckenden Tagen fuhren wir wieder Richtung Grenze nach Rumänien und weiter nach Sibiu/Hermannstadt in Siebenbürgen. Hier trafen wir uns mit Petra Stöckmann von der „Winterhilfe“ (Unterstützung von Rentnerinnen und Rentnern mit finanziellen Zuschüssen zu ihrer kleinen Rente, um steigende Gas- und Strompreise im Winter abzufedern) und übergaben ihr eine Spende in Höhe von 500 EUR. Dieses Geld kann sie gut gebrauchen, da die Energiekosten nun nicht mehr nur im Winter, sondern auch Frühling/Sommer steigen – die Ursachen sind bekannt.
Wir trafen in Sibiu viele Freunde und Bekannte aus unseren „alten Zeiten“, zum Beispiel den Preot Simion, dessen Schulprojekt wir viele Jahre unterstützten und von dessen Erfolg wir uns mit eigenen Augen überzeugen konnten. Für uns war und ist es immer schön zu sehen, dass unsere Unterstützung Spuren hinterlassen hat und wir Teil einer langen Geschichte sind.

Vierter Hilfstransport nach Krakovez (27./28.04.2022)
Mittlerweile werden unsere Fahrten nach Krakovez zur Routine. Am 27. April gingen wiederum zwei Kleinbusse mit Spenden und Lebensmittel auf die 800 km lange Reise. Auch wenn wir das Kinderheim nun häufiger besuchen als in den Zeiten zuvor, ist die Wiedersehensfreude immer wieder sehr groß. Der Krieg hat sich zwar weit in den Osten des Landes zurück gezogen, aber die Lemberger Gegend wurde in der Vergangenheit immer wieder mit Raketen angegriffen, die in Öllager oder Elektrizitätsstationen einschlugen und Menschenleben kosteten. Unser großer Dank geht an die Fahrer und Mitfahrer dieses Transportes, die auch die Kleinbusse zur Verfügung stellten sowie die Spender, insbesondere an die Firma „EDEKA Richter“ aus Lommatzsch.



Dritter Hilfstransport nach Krakovez (09./10.04.2022)
Am Samstagmorgen, den 9. April 2022, starteten wir unsere dritte Fahrt nach Krakovez. Dieses Mal gingen zwei Kleinbusse auf die Reise, von denen einer in der Ukraine verbleiben sollte. Dieser Kleinbus soll dem Kinderheim als Fahrzeug für die täglichen Beschaffungen und Transporte dienen und wurde dort dringend erwartet.

Beide Busse waren wieder mit Lebensmitteln, Medikamenten, Bekleidung, Schlafsäcken/Isomatten und weiteren Sachspenden beladen und steuerten am Spätnachmittag die polnisch-ukrainische Grenze an. Völlig überraschend standen wir in einer extrem langen Warteschlange von Autos, die in die Ukraine einreisen wollten. Es scheint, dass viele Ukrainer und Ukrainerinnen wieder zurück in ihre Heimat wollten, möglicherweise verbunden mit dem Abzug der Russen aus der Umgebung von Kiew. Für uns jedenfalls war die Schlange so lang, dass wir auf einen anderen Grenzübergang ca. 25 km weiter nördlich auswichen.

Dort waren zwar weniger Autos, aber auch da dauerte die Abfertigung extrem lange. Als wir dran waren, durften wir den Kleinbus, den wir in der Ukraine lassen wollten, nicht einfach selber hinüber fahren, sondern mussten alles umladen und den Bus in der Zollstation parken, damit der am darauffolgenden Montag von unseren Freunden aus Krakovez dort abgeholt werden kann. Der andere Bus durfte passieren, fuhr nach Krakovez, lud alles aus und kam recht schnell wieder auf die polnische Seite zurück, weil auf der ukrainischen Seite keine Autos standen. Der gesamte Mahlstrom an Fahrzeugen auf der Flucht nach Westen hat nachgelassen; eine vorsichtige Umkehr in Richtung Heimat deutete sich an.
Sonntagmittag waren wir wieder in Coswig. Bis jetzt haben wir noch keine Idee, wann ein nächster Transport nach Krakovez stattfindet, aber es gibt Planungen für eine Fahrt nach Rumänien, um von dort nach Czernowitz zu gelangen, wo unser zweites Hilfsprojekt, die Stiftung „Neue Familie“ tätig ist. Wir wollen schauen, wie wir ihnen helfen können, da sich viele Flüchtlinge in der Stadt befinden, die betreut werden müssen. Wir haben von unseren Freunden gehört, dass sie 1-2 Mal pro Woche nach Rumänien fahren, um dort einzukaufen. Wenn wir es schaffen, wollen wir uns mit ihnen in Rumänien treffen, und vielleicht kommen wir auch über die Grenze bis nach Czernowitz, um die aktuelle Lage vor Ort selber kennen zu lernen.
Zweiter Hilfstransport nach Krakovez (26./27.03.2022)

Unser zweiter Hilfstransport nach Krakovez startete am frühen Morgen des 26. März 2022. Insgesamt vier Kleinbusse voller Spenden gingen auf die Reise und erreichten nach 800 km am späten Nachmittag die polnisch-ukrainische Grenze. Nach ca. 3 Stunden Wartezeit waren wir durch, fuhren sofort ins Kinderheim und luden sogleich alle Busse aus. Wir hatten wieder viele Lebensmittel an Bord, darunter 200 kg Mehl, Frischobst, H-Milch, aber auch Schokoladen-Osterhasen für die Kinder, dazu noch Bekleidung, Schlafsäcke, Medikamente u.a.


Im Heim befinden sich zur Zeit ca. 30 Kinder, viel weniger, als wir gedacht hatten. Das hängt damit zusammen, dass auch die Region Lviv/Lemberg Luftangriffen ausgesetzt ist und man deshalb die Kinder bei mehreren Familien im Ort, also dezentralisiert, untergebracht hatte. Wie zum Beweis erfolgte genau an diesem Nachmittag ein weiterer Raketenangriff auf Lviv/Lemberg, der ein großes Treibstofflager in Brand setzte. Hierzu heulten auch in Krakovez die Sirenen. Wir trafen uns zudem mit Freunden, die extra von Lemberg nach Krakovez gekommen sind und natürlich zutiefst besorgt darüber waren, was gerade in ihrer Stadt passiert und wie es ihren Familien ergeht.
Es ist ein Leben unter permanenter Gefahr in der Ukraine, auch in den westlichen Teilen, die scheinbar weit weg von den Kampfgebieten sind. In Jaworiw, keine 10 km entfernt von Krakovez, schlugen am 13.3.2022 mehrere Raketen ein, die mindestens 35 Todesopfer forderten. Auch das Kinderheim könnte ein potenzielles Ziel sein, weswegen nur wenige Kinder im Heim leben und dort im Flur übernachten, nicht in ihren Zimmern. Der Grund dafür ist: es gibt keinen echten Luftschutzkeller, sondern nur einen provisorischen Unterstand im Garten, und die Anordnung vom Zivilschutz lautet, dass man das Nachtlager zwischen festen Wänden im Inneren der Gebäude einrichten soll, um einigermaßen gegen Explosionen von außen gesichert zu sein. Das ganze Leben ist nur noch auf „Funktionieren“ ausgerichtet; wer anfängt, über all dies nachzudenken, würde schnell verzweifeln.

Trotz dieser Gefahren wollten wir diesmal nicht gleich wieder umkehren, sondern uns noch zumindest Zeit für ein gemeinsames Abendbrot nehmen. Danach verabschiedeten wir uns von unseren Freunden und wurden wieder an die Grenze geleitet. Dieses Mal war es dort nicht so chaotisch voller Menschen wie vor zwei Wochen. Es sind weniger Menschen zu Fuß unterwegs, die auf polnischer Seite mit dem Bus ins Landesinnere gefahren werden, aber es steht eine endlos lange Blechlawine aus Autos an, die alle das Land verlassen wollen. Gefühlt stehen die mehrere Tage an, wenn man das Tempo der Grenzabfertigung zum Maßstab nimmt; wir hatten das Glück, nach drei Stunden Wartezeit auf der polnischen Seite zu sein, um uns dann auf den langen Heimweg zu machen. Nach einer 30stündigen Reise, davon 18,5 Stunden Fahrtzeit und mehr als 1.600 zurück gelegten Kilometern kamen wir am Sonntagmittag wieder zu Hause an.

Unser Dank geht dieses Mal an das „Omnibusunternehmen Jens Kretzschmar“ aus Kalkreuth, die uns wiederum mit einem vollbepackten Kleinbus begleiteten, dem „Bettenhaus Hennl“ aus Radebeul, die uns einen Kleinbus für die Fahrt zur Verfügung stellten sowie an die Lutherkirchgemeinde Radebeul, die uns diesen Kleinbus mit wertvollen Hilfsgütern vollgeladen hat.

Erster Hilfstransport nach Krakovez (09./10.03.2022)
Man könnte sagen, es hat eine Weile gedauert, bis wir uns entschieden hatten, einen ersten Hilfstransport in die Ukraine zu schicken, aber andererseits wollten wir nicht einfach aktionistisch Spenden sammeln und auf gut Glück losfahren, sondern gezielt und bedarfsorientiert helfen. Unsere Freunde im Kinderheim in Krakovez schickten uns Listen mit Artikeln, die dringend benötigt werden, u.a. Matratzen, Kopfkissen, Lebensmittel, Hygiene-, Sanitärartikel sowie bestimmte Medikamente. Krakovez liegt direkt am größten Grenzübergang zu Polen, wo sich zur Zeit ein großer Teil des Flüchtlingsstromes in Richtung Westen bewegt bzw. staut, wie wir später feststellen mussten.
Das Heim wurde mittlerweile in einen Ort umfunktioniert, wo Kinder untergebracht sind, die aus dem Kriegsgebieten evakuiert wurden. Zum damaligen Zeitpunkt waren es mehr als 50 Kinder, aber es wurde davon gesprochen, dass es bis zu 150 oder 160 Kinder werden könnten. Deswegen sind Schlafplätze so wichtig. Wir hatten 35 Matratzen und 25 Bettdecken im Wert von 1.600 EUR gekauft, was den Bedarf noch nicht ganz abdeckt, aber zumindest ein erster wichtiger Schritt ist, außerdem noch Schlafsäcke und Kinderbekleidung, die vom „Omnibusunternehmen Jens Kretzschmar“ aus Kalkreuth bei Großenhain beigesteuert wurden. Letztere nahmen auch mit einem eigenen Kleinbus an der Fahrt teil, wofür wir uns sehr herzlich bedanken wollen. Das war wieder mal ein tolles Beispiel für engagierte Menschen, die unseren Verein kontaktierten, um unkonventionell und uneigennützig schnelle Hilfe anzubieten. Dazu gehören auch Björn Keyser vom LÖMA/REWE-Markt aus Radebeul (Lebensmittelspende im Wert von 400 EUR) und das Fachkrankenhaus Coswig (Medikamente für 600 EUR).

Insgesamt waren drei Kleinbusse unterwegs, allesamt vollbeladen bis unters Dach. Die Einreise in die Ukraine verlief verhältnismäßig rasch (nur 2 Stunden Wartezeit an der Grenze), aber auf der anderen Seite glich das Grenzgebiet einem riesigen Flüchtlingslager, wo sich Tausende Autos stauten und unzählige Menschen, die meisten davon Frauen, Kinder und alte Menschen, in der Kälte ausharrten und campierten. Es war sehr schwierig, die Kleinbusse durch die Menschenmenge zu navigieren, um nach Krakovez abzubiegen, das ja nur anderthalb Kilometer von der Grenze entfernt liegt.
Im Heim selber war man wirklich zu Tränen gerührt, dass wir diesen Transport auf die Beine gestellt hatten. Alle dort leben und arbeiten unter großer Anspannung, kaum Schlaf und auch mit der Angst davor, ob der Krieg auch zu ihnen in den bisher noch nicht so betroffenen Westen des Landes kommen wird (heute, am 13.03. wissen wir es – er kommt!!!).



Nach dem Ausladen des Busse am Abend des 9. März wäre es eigentlich an der Zeit gewesen, das Nachtquartier zu beziehen, um am nächsten Morgen ausgeruht die Rückreise anzutreten, aber dann wurde spontan beschlossen, sofort zurück zu fahren, und sei es nur, um über die chaotisch verstopfte Grenze zu kommen. Natalia, die Schulleiterin, hatte Kontakte zu den Grenzbehörden, die dann eine Art Geleitschutz für die drei Kleinbusse bis direkt vor der Grenzabfertigung organisierten, vorbei an den aufgestauten Bussen und Menschenmassen – aber selbst das konnte nicht verhindern, dass wir 5 Stunden am Checkpoint standen, bis wir endlich die Grenze überqueren konnten.
Die Bilder, die wir dort sahen, kann man nicht mit Worten beschreiben. Wir waren zutiefst erschüttert, wie Frauen und Kinder und auch viele Kleinkinder dort bei Minusgraden ausharrten, um endlich die Grenze überqueren zu können, und das sicherlich nach Tagen der Flucht quer durch das ganze Land. Auf der ukrainischen Seite stauten sich die Menschen, auf der polnischen Seite fuhren unablässig Busse vor, um die Menschen einzuladen und ins Landesinnere zu fahren. Wir nehmen schon an, dass man deswegen die Flüchtlinge nur dosiert über die Grenze gelassen hat, damit die polnische Seite nicht „geflutet“ wird und der Transport zusammenbricht. Es sind aber trotzdem erschütternde Bilder, die sich tief bei uns eingegraben haben und uns darüber nachdenken lassen, ob wir beim nächsten Transport die Hilfsgüter nicht besser auf der polnischen Seite an unsere ukrainischen Freunde übergeben.

Da auch immer wieder angefragt wird, ob wir Flüchtlinge mit nach Deutschland nehmen – bisher halten wir uns da zurück, nur wenn es Menschen sind, die wir kennen und die einen Anlaufpunkt in Deutschland haben. So geschah es auch auf unserer Rückfahrt, dass wir eine ukrainische Familie mit zwei Kindern (6 und 14 Jahre) mitgenommen haben, die aus Nikopol stammt und seit drei Tagen auf der Flucht war. Diese haben wir in Dresden in den Zug nach Freiburg gesetzt, wo sie Verwandte haben.
Am Mittag des 10.03. waren wir wieder in Dresden und müssen nun unsere nächsten Schritte und Aktionen überlegen. Wir melden uns, sobald wir konkrete Pläne haben.